In Japan steht einer oder sogar mehrere Reaktoren kurz vor einer Kernschmelze, vielleicht hat es sie auch schon gegeben, man weiß es nicht genau, die Informationslage ist dürftig, wie immer in solchen Situationen. Die Frage nach dem Betrieb und der Anfälligkeit der Kernreaktoren in Deutschland steht wieder im Raum. Unionspolitiker wie Röttgen erklären, es sei jetzt nicht die Zeit für politische Diskussionen über Sicherheit und Laufzeiten und möchten das Thema am liebsten von der Tagesordung streichen.
Aber genau jetzt ist der Zeitpunkt darüber zu diskutieren.
Die Atomlobby und ihre Unionspolitiker haben uns bis vorgestern bei jeder sich bietenden Gelegenheit versichert, so etwas könne bei Atomkraftwerken westlicher Bauart garnicht passieren, das sei völlig ausgeschlossen und wir müßten uns keine Sorgen machen. Die Experten haben ihnen widersprochen, aber ein Teil der Bevölkerung hat ihnen dankbar geglaubt, Hauptsache (vermeintlich) billiger Strom und vom Gefahren möchte man am besten nichts wissen.
Nun weiß jeder der sich mit komplexen technischen System beschäftigt, daß sie nicht völlig sicher zu bekommen sind, handlich verpackt in Murphy's Law: „Alles was schief gehen kann wird auch schief gehen.“ Es ist nur eine Frage der Zeit. Anders gesagt: wenn ein System inhärent unsicher ist, es also ohne regulierenden Eingriff nicht in einem sicherem Zustand verbleibt, bekommt man es auch mit beliebig großem Aufwand nicht 100% sicher.
Fliegen z.B. ist so eine inhärent unsichere Angelegenheit: wenn die Technik versagt bleibt man nicht einfach irgendwo in der Landschaft stehen, was unangenehm aber nicht tragisch wäre, sondern fällt herunter und ist mit ziemlicher Sicherheit tot. In der Luftfahrt bemüht man sich deshalb massiv um Sicherheit. Der technische und organisatorische Aufwand der dafür betrieben wird ist an der Grenzen des Machbaren und er zeigt Wirkung: Fliegen ist erstaunlich sicher. Trotzdem kommt es immer wieder zu Abstürzen, das sogenannte „Restrisiko“ – und die Gesellschaft ist bereit es zu tragen.
Auch bei Atomkraft bleibt ein Restrisiko, egal welchen Aufwand man treibt –
Three-Mile-Island,
Tschernobyl,
Forsmark, usw. zeugen davon – und darum wird es immer wieder zu großen Unfällen kommen solange Atomreaktoren betreiben werden. Es gibt einen Unterschied zur Luftfahrt: wenn ein Flugzeug abstürzt sterben ein paar hundert Menschen, das ist furchtbar, aber die Gesellschaft als Ganzes steckt das problemlos weg. Aber wenn Landstriche so groß wie Bundesländer auf Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinaus unbewohnbar werden, ist es nicht damit getan, die Trümmer zusammenzukehren und den Acker neu umzupflügen.
Die Frage die wir uns, als Gesellschaft, stellen müssen ist also nicht nur: wollen wir das Riskio tragen sondern auch: muten wir die eventuellen Folgen unseren Nachfahren zu, dutzenden vielleicht hunderten von Generationen in die Zukunft hinein. Auf diese Frage gibt es keine technische Antwort.
Meiner Meinung nach lautet die Antwort auf beide Fragen: Nein.