Totalversagen – was nun?

Ich gehe davon aus, daß nicht nur die Prozentzahlen von 2009 und 2013 gleich sind, sondern daß auch die Wähler die gleichen sind. Die Piraten haben etwa 2 Prozent Stammwähler, die aus tiefer Überzeugung Piraten wählen. Wegen der klassischen Piratenthemen: Netzpolitik, Patent(un)wesen, digitale Demokratie. Die hätten auch Piraten gewählt, wenn kein einziges Plakat gehangen hätte, keine Radio- und Fernsehwerbung gelaufen wäre und es keinen Infostand gegeben hätte.

Alle Anstrengungen die im Wahlkampf geleistet wurden, alles Geld das ausgegeben wurde hat offenbar keinerlei Wirkung gezeigt. Insgesamt würde ich den Wahlkampf aufgrund des Ergebnisses als Totalversagen einstufen. Die Frage, die sich die Piraten jetzt stellen müssen ist: Wie kann so viel Einsatz und Aufwand, so völlig wirkungslos verpuffen und was wurde falsch gemacht, obwohl man sich so bemüht hat professionellen Wahlkampf zu machen.

Servicegruppen etc.

Der Versuch die Partei(führung) effizienter und schlagkräftiger kurz professioneller zu machen, bestand im Wesentlichen in der Einführung zusätzlicher Strukturen, formalisierter Hierarchieebenen, dem Gründen von abc-Servicegruppen, xyz-Beauftragten etc. und hat sich als Fehlschlag herausgestellt. Ganz im Gegenteil hat es wohl die FDPisierung der Piratenpartei beschleunigt und Eigeninitiative der Mitglieder gelähmt.

Ein schönes Beispiel ist die Servicegruppe Presse, die sich mit „geheimen“ Mailinglisten und intransparenter Mitgliedsselektion völlig von der Basis abgekoppelt hat und in ihrer eigenen Kompetenzsphäre schwebt – und dabei völlig versagt hat. Ich kann mich nicht erinnern, zu den für die Piraten (ehemals) wichtigen Themen um die Snowden-NSA-Leaks, das Verfassungsschutzversagen, etc. auch nur einmal eine gute, sachlich fundierte Pressemitteilung der Piraten gelesen zu haben.
Meine Einschätzung: Die SG-Presse hat es nicht gekonnt, diejenigen die es gekonnt hätten, haben es nicht getan, weil sie sich nicht (mehr) zuständig fühlten.

Es ist ein prinzipielles Problem solcher Strukturen: In dem Moment in dem man eine Servicegruppe oder eine Beauftragung schafft und ihr damit die Kompetenz für ein Thema oder einen Bereich zuordnet, entzieht man gleichzeitig der Basis Kompetenz und Zuständigkeit – wenn nicht formal so zumindest gefühlt, was faktisch keinen Unterschied macht. Sind die Beauftragten oder die Servicegruppe dann der Aufgabe nicht gewachsen, versagt das Gesamtsystem in einem Maße wie es bei unstrukturierter, chaotischen Organisation kaum möglich wäre.

Wahlkampf essen Ideale auf

2009 war die Partei klein, aber das Ideal einer möglichst hierarchiefreien, chaotisch aka schwarmbasiert organisierten Partei war in der Basis fest verankert. Der Wille Politik anders zu machen war vorhanden, auch wenn jedem klar war, daß es nicht leicht werden würde und daß so eine Struktur mit Reibungsverlusten verbunden sein würde – die Mitglieder kannten das aus ihren OSS-Projekten.

Irgendwann 2011, als Massen an nicht-IT-lern, nicht-Nerds und nicht-Technikern in die Partei eingetreten waren, wurden diese Ziele und Ideale über Bord geworfen, zugunsten einer „professionellen“, hierarchischen Struktur, getrieben von der naiven Vorstellung bei den Großen mitspielen zu können. Mancher Karrierist hat sich da wohl insgeheim schon als neuer Seehofer gesehen, mit Untergebenen die für ihn auf Zuruf Wikieinträge und Blogpostings machen. Jegliche Ambitionen Politik anders zu machen wurden mit dem Argument, für Experimente hätte man keine Zeit, man müsse jetzt erstmal Wahlkampf machen, beerdigt. Das Ergebnis ist bekannt.

Wo da noch der signifikante Unterschied zu CSU und FDP bestehen soll, die bekanntlich inzwischen auch twittern können, war wohl nicht nur etlichen gefrusteten Kernpiraten unklar, sondern auch den potentiellen Wählern.

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¹ Das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, daß die Vorhersagen der Umfrageinstitute so falsch nicht waren. Das bedeutet, daß die über 10 Prozent, die sie den Piraten in der Vergangenheit prognostiziert hatten vermutlich ebenfalls stimmen.